Der Nationalstaat und die amtliche (Wirtschafts-)Statistik treten seit dem 19. Jahrhundert als ‘Geschwister’ auf. Moderne Staatlichkeit trachtet danach, Akteure nicht nur als politische Subjekte in das „Staatsvolk“, sondern auch als wirtschaftliche Subjekte in die „Volkswirtschaft“ einzuschließen – oder davon auszuschließen. Volkswirtschaftliche Inklusions- und Exklusionsmechanismen bedürfen einer Wissensgrundlage, die vor allem mittels der amtlichen Wirtschaftsstatistik erzeugt wird. Im 20. Jahrhundert wurde die Wirtschaftsstatistik von einer Wissenschaft mit Autonomieanspruch mehr und mehr zu einem Herrschaftsinstrument des Interventionsstaats – eine Entwicklung, die in der „totalen“ Wirtschaftslenkung des Nationalsozialismus ihr Extrem erreichte.
Überlegungen zu dieser Beziehungsgeschichte wollen wir im Rural History Forum mit einem Fokus auf die Entwicklung der österreichischen Agrarstatistik im kurzen 20. Jahrhundert diskutieren. Insbesondere die NS-Ära bildet hierbei eine Schwellenzeit. Die durch Erfahrungen der Ernährungskrise im Ersten Weltkrieg befeuerten Versuche zentraler Erfassung nationaler Agrarproduktion wurden im NS-Regime bis in die letzten Winkel der einzelnen Betriebe ausgedehnt. Die dadurch erzeugte zahlenmäßige ‘Kette’ zwischen Einzelbetrieb und durchstaatlichenden Agenturen wirkte jedoch nicht bloß als Einbahnstraße der Information in die Steuerungszentralen der NS-Kriegswirtschaft – und später der akzentuierten Agrarstrukturpolitik. Gleichzeitig formierte sie auch die Wahrnehmungsweisen der Bewirtschafter/-innen mit, die sich diese neuen und nahezu bruchlos in den Nachkriegsjahrzehnten weiterbestehenden Institutionen, ihrem eignen Sinn gemäß anzueignen trachteten.
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