Agrarsysteme in NÖ im 19. Jahrhundert

  • 2017-10-13T11:18:04+02:00

Ziel des Forschungsprojekts ist die Rekonstruktion von lokalen und regionalen Agrarsystemen.

Förderung

IGLR (Eigenprojekt in Kooperation mit dem NÖ Landesarchiv)

Laufzeit

April 2009 - Juni 2013

Bearbeiter

Martin Bauer

Beschreibung

Die regionalen Agrarsysteme und ihre Entwicklung im Verlauf des 19. Jahrhunderts sollen in einem ersten Schritt auf regionaler und kommunaler Ebene (mit Hilfe der Katasteroperate sowie der Agrar- und Bevölkerungsstatistik) und in einem zweiten Schritt auf betrieblicher Ebene erfasst werden.

Der Begriff „regionales Agrarsystem“ bezeichnet – in Anlehnung an die gängigen Definitionen von „Agrarsystem“ – das regional vorherrschende ländliche Produktions- und Reproduktionssystem. Das „regionale Agrarsystem“ ergibt sich aus den Produktions- und Reproduktionsformen der einzelnen ländlichen Haushalte in einer bestimmten Region, wobei innerhalb der Region verschiedene Arbeits- und Lebensweisen nebeneinander bestehen können. Der Begriff „System“ impliziert, dass der „Hof“ als landwirtschaftliche Haushalts- und Betriebseinheit genauso wie das regionale Agrarsystem als komplexe, in ihren Bestandteilen wechselwirkende Einheiten angesehen werden, bei denen jede Änderung eines Elements Änderungen anderer Elemente und somit des ganzen Systems nach sich zieht. Dieses System gestaltet seine natürliche und soziale Umwelt, genauso wie es von einem (regionalen wie überregionalen) Wirkungsgeflecht ökologischer, ökonomischer, politischer, kultureller und sozialer Faktoren gestaltet wird.

Als Kriterien zur Gliederung der Agrarsysteme dienen ökologische Merkmale, Merkmale des Bodennutzungs- und Viehhaltungssystems, Merkmale der Produktionstechnik, Merkmale der Produktivität (Flächen- und Arbeitsproduktivität), Merkmale des Produktionsziels (Kommerzialisierung, Spezialisierungsgrad, Verkehrs- und Marktlage), soziale Merkmale (Eigentums- und Pachtformen, Betriebs- und Besitzstruktur, Erwerbsfunktion, Arbeitsverfassung) sowie demografische Merkmale (Bevölkerungsdichte, Haushaltsstruktur, Erwerbsstruktur).

In der ersten Forschungsetappe werden die Agrarverhältnisse in sechs Regionen Niederösterreichs analysiert, die „regionalen Agrarsysteme“ bestimmt und miteinander verglichen. Mit der Auswahl dieser Regionen soll räumlich an laufende, am IGLR durchgeführte Forschungsprojekte zur Agrargeschichte des 20. Jahrhunderts angeknüpft werden. Als Quellen dienen die Steuerkataster, die Bezirksbeschreibungen der niederösterreichischen Landwirtschaftsgesellschaft und statistische Daten zur Bevölkerungs- und Agrarstruktur. Mit Hilfe anderer Regional- und Lokalstudien wird eine Klassifikation der regionalen Agrarsysteme in Niederösterreich angestrebt und das Bundesland in dementsprechende Regionen gegliedert.

Da obige Quellen für die regionale bzw. Bezirksebene vorliegen – mit Ausnahme des Franziszeischen Katasters, der für jede Katastralgemeinde erstellt wurde –, sind die dadurch bestimmten Agrarsysteme hypothetische Konstruktionen, die durch betriebliche Fallbeispiele einer Überprüfung bedürfen. Daher werden in der zweiten Forschungsetappe betriebliche Fallstudien durchgeführt, um die betrieblichen Verhältnisse mit dem auf regionaler Ebene konstruierten Agrarsystem zu vergleichen. Idealerweise sollen für jede Untersuchungsregion zwei Agrarbetriebe, ein „Groß“- und ein „Kleinbetrieb“ in derselben Ortschaft, analysiert werden. Wäre das Zeitbudget jedoch dafür nicht mehr ausreichend, würden zumindest vier Fallbeispiele (in den Gerichtsbezirken Mank und Mödling, in Abstimmung mit dem Landwirtschaftsstile-Projekt) behandelt werden. Als Quellen werden hierfür die Steuerkataster mit den Operaten, Personenstandslisten, Pfarrmatriken, Grundbücher, Kauf- und Heiratsprotokolle sowie Verlassenschaftsabhandlungen herangezogen.

Die Agrarsysteme werden keineswegs als starre Gebilde angesehen; vielmehr soll ihre Entwicklung während des 19. Jahrhunderts verfolgt werden, wobei die Dynamik auf agrarbetrieblicher wie auf regionaler Ebene verfolgt wird. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen mit den Bemühungen des Staates und anderer Institutionen (wie der Landwirtschaftsgesellschaft) um „Modernisierung“ der Landwirtschaft in Beziehung gesetzt werden.

Im Juni 2010 hat im Rahmen dieses Projekts ein Workshop zum Franziszeischen Katatster als agrarhistorische Quelle stattgefunden.

Projektpublikationen

Martin BauerAgrarsysteme in Niederösterreich im frühen 19. Jahrhundert. Eine Analyse auf Basis der Schätzungsoperate des Franziszeischen Katasters (Rural History Working Papers 20), St. Pölten 2014. (1305 KB)

Martin Bauer, Agrarstatistik und regionale Agrarsysteme in Niederösterreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Rural History Working Papers 11), St. Pölten 2012. (1176 KB)