Überleben in der ‚Krisenzeit‘ 1914–1950 – Brennpunkt Ernährung

  • 2024-04-29T14:58:37+02:00

Wie ernährten sich Menschen am unteren Ende der Wohlstandsskala in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts?

Förderung

Forschungsnetzwerk Interdisziplinäre Regionalstudien (first)

 

Laufzeit

April 2016 - März 2018

 

Projektleitung

Ernst Langthaler und Ulrich Schwarz-Gräber

 

Bearbeiter

Ulrich Schwarz-Gräber

 

Beschreibung

Das Teilprojekt Überleben in der ‚Krisenzeit‘ 1914–1950 – Brennpunkt Ernährung fragt nach den Formen des Zugangs zu Nahrung und den Ernährungsweisen von Menschen am unteren Ende der Wohlstandsskala in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Niederösterreich. Wie ernährten sich kleinbäuerliche und kleingewerbliche Haushalte, Industriearbeiter*innenfamilien, Dienstbot*innen, Taglöhner*innen und Saisonarbeiter*innen oder Erwerbslose in diesem durch Krieg, multiple Krisen und deren Interferenzen, politische und ökonomische Instabilität und nicht zuletzt durch wiederkehrende, kollektive Hungererfahrungen geprägten Zeitraum? Der Umgang mit Nahrung in Krisensituationen dient dabei als Prisma, um die Vielfalt der existenzsichernden Strategien und (Über-)Lebensstile von ökonomisch unterprivilegierten Menschen zu analysieren.

Während Studien zur Ernährungslage in Österreich im Ersten Weltkrieg, in der Stabilisierungskrise, in der Weltwirtschaftskrise, in der Stagnationsphase der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur und in der Kriegswirtschaft des NS-Regimes zum Teil vorhanden sind, liegen noch kaum Versuche vor, die gesamte Zeitspanne in den Blick zu nehmen. Zudem liegt der Schwerpunkt der Forschung bislang auf dem großstädtischen Ballungsraum Wien. Die Ernährungssituation in Mittel- und Kleinstädten Niederösterreichs, aber auch in Industriesiedlungen und peripheren, agrarisch geprägten Landstrichen ist dagegen bis auf einzelne, wenn auch prominente Beispiele noch kaum untersucht. Diese räumliche und zeitliche Fragmentierung beschränkt die Möglichkeiten, den Wandel der Ernährungspraxis zu verstehen: Die Trennung von Stadt und Land blendet mannigfaltige Austauschbeziehungen zwischen diesen Räumen aus. Die zeitliche Unterteilung wiederum vernachlässigt Erfahrungszusammenhänge, die sowohl individuelle Versorgungswege als auch öffentliche Wohlfahrtspolitiken beeinflussten.

Eine erste Zielsetzung des Teilprojekts ist demnach die explorative Recherche nach verstreuten und heterogenen Quellenbeständen aus diesen (Zeit-)Räumen sowie die analytische Zusammenführung unterschiedlichsten Datenmaterials. Der Fokus ist dabei auf die Strategien gerichtet, die Akteure verfolgten, um existenzbedrohende Auswirkungen von Krisenmomenten abzumildern und innerhalb ihres ökonomisch begrenzten Möglichkeitsraums dauerhaften Zugang zu physiologisch ausreichenden sowie gesellschaftlich akzeptierten Nahrungsmitteln sicherzustellen.